Steck dir dein Dankbarkeitstagebuch sonst wo hin

Können wir das bitte mal lassen mit dem ewigen Meditieren, Achtsamsein, Dankbarkeit praktizieren. Uns Müttern wird ständig eingeredet, dass wir das alles machen sollen, um uns bloß nicht zu beschweren, aus der Haut zu fahren oder sonstwie unangenehm aufzufallen. Wir sollen dem Klischee der immerglücklichen Mutti entsprechen, die sich zwar den Schweiß von der Stirn wischt und müde morgens aus dem Bett kriecht, ob der ganzen Arbeit. Die aber sofort wieder glücklich lächelt, sobald ihr ein kleines Kind entgegenspringt. Dann weiß sie wieder, wofür sie sich so plagen muss. Das ist ja alles angeblich von der Natur so gewollt, dass sie permanent im Defizit ist, was ihre eigenen Kräfte anbelangt, aber dass sie gottgegeben dafür vorgesehen ist, Kinder zu bekommen und sich ihnen ganz und gar hinzugeben. Dafür lässt sie gerne eine Verabredung saußen, das Telefonat mit einer Freundin wieder ausfallen oder den Yoga-Unterricht. Alles nicht wichtig. Die Energie ist eh weg. Also, statt dich abends verkrampft und mal wieder ungewaschen ins Bett fallen zu lassen, mach doch das Licht nochmal an und hole Stift und Tagebuch raus und schreibe brav auf, wofür heute alles dankbar warst. Genau, so ist es recht – schau mal, du hast elektrisches Licht, du kannst den Kühlschrank einfach aufmachen und da Sachen zum Kühlen reinstellen, du hast fließend Wasser – na, siehst du, geht doch. So einfach ist das. Mmmh, jetzt nochmal ganz tief durchatmen und so richtig dankbar sein. Was wäre doch das Leben ohne all diese Annehmlichkeiten. Und morgen nach dem Aufstehen, räumst du nicht als erstes die Spülmaschine aus, die du jetzt noch um 23 Uhr befüllt hast und die gerade vor sich hinblubbert, und auch die Waschmaschine räumst du morgen nicht leer und hängst die Sachen auf, bevor sie zu gammeln anfangen. Nein, nein, dann setzt du dich schön auf ein Kissen und meditierst erstmal für ein paar Minuten. Reicht ja schon, mehr muss es nicht sein. Ja, Mensch, dann stell halt den Wecker noch ein bisschen früher. Schlaf ist sowieso völlig überbewertet. Nicht wahr, Schätzchen? Wie, Du hast die Nacht schlecht geschlafen, weil dein Kind gekotzt hat und du bist jetzt auch noch mit Halsschmerzen aufgewacht? Du, wenn du mehr Dankbarkeit üben und jetzt meditieren würdest, könntest du das echt besser aushalten. Schrei nicht so! Übe dich in Achtsamkeit! Mach dir nen Tee, gönn dir mal was. Ey, du stolperst ja ins Bad, gehst erstmal aufs Klo, trinkst einen Liter Kaffee, machst Frühstück, ziehst dich an und zerrst die wichtigsten Sachen aus der Waschmaschine, denn, wenn die nicht jetzt trocknen, haben die Kinder keinen warmen Schal oder Handschuhe zum Anziehen? Ja, puh, kannst du nicht mal ein paar Minuten Yoga einstreuen? Was rennst du denn schon wieder so? Noch ne Runde mit den Kindern kuscheln? Ja, ok… Was? Kinderarzt anrufen, neuen Termin ausmachen, ach so, noch Rezept für Eisenmangel und Krankengymnastik. Na gut. Aber immer schön achtsam. Jetzt hetzt doch nicht so. Wie, schon spät dran? Kinder müssen pünktlich in die Vorschule. Schaffen wir alles nicht mehr? Ja, gut gut… Ich komme nicht mehr mit. Äh, und wie war das mit Yoga?

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